Geschichten aus 60 Jahren WGF
1960–64

Weiterer AWG-Wohnungsbau

Anfang 1960 zählte die AWG 828 Mitglieder, aber nur 148 Mitglieder besaßen eine Wohnung im Wohngebiet Döbeln-Ost I. Deshalb baute die AWG dort zügig weiter. Unterstützt wurde sie durch Träger- und Patenbetriebe, wie z. B. VEB Landmaschinenbau „Rotes Banner“, VEB DBM, VEB Decenta Döbeln, VEB Elektrowärme Döbeln, Deutsche Post Döbeln und Deutsche Reichsbahn Döbeln.
Gleichzeitig baute ab 1960 die AWG auf der damaligen Straße der Befreiung (heute Bahnhofstraße) 50 Wohnungen. Insbesondere Eisenbahner zogen dort am 01.01.1961 ein. Die Deutsche Reichsbahn Döbeln als Patenbetrieb erhielt relativ viel Wohnungsanteile. Deshalb spricht man noch heute von den „Eisenbahner-Blocks“ auf der Bahnhofstraße. So erinnerte sich der heutige Rentner und damaliger Eisenbahner, Herr Hempel.

Günter Hempel erinnert sich

Günter Hempel (Mitgliedsnummer 452) gehörte zur großen Schar der Bahnmitarbeiter rund um den Bahnbetrieb am Döbelner Hauptbahnhof. Seine Brigade 4 mit ca. 35 Mitarbeitern sorgte Tag und Nacht für einen reibungslosen Ablauf des Zugverkehrs in Döbeln. Aber auch die anderen Strukturen wie die Bahnmeister, Lokführer Gleisbaumonteure und Handwerker sorgten alle mit Herz und Seele für den Bahnbetrieb. Deshalb war es dem Arbeitgeber Bahn wichtig, auch für seine Mitarbeiter Wohnungen möglichst nah an den Arbeitsplätzen zu schaffen. Die Arbeiten am Objekt Bahnhofstr. 33/34 waren nicht ganz ohne.
Herr Hempel erinnert sich, wie man erst einmal einen Bauplatz schaffen musste. Dazu wurde eine alte Baracke abgerissen. Dann ging es um einen stabilen Untergrund. Der Lehmboden war sehr elastisch, so dass per Hand Kalk unter den Lehm gezogen werden musste, um die Festigkeit zu erhöhen.
Beim Hochbau wurde es problematischer. Es gab keine geprüften Stahlgerüste wie heute, sondern es wurden Baumstämme mit Bauklammern zusammengeklammert. Je höher es hinaufging, um so wackliger wurde das Ganze. Aber auch bei den Bahnern gab es nur ein Ziel:

„Wir haben bald unsere eigene Wohnung.“

Nach der Verlosung zog Günter Hempel mit seiner Frau Edith und ihrer Tochter, die damals ein halbes Jahr alt war, in die Bahnhofstraße ein.


Das AWG-Büro

Das AWG-Büro befand sich 1961 im Wohngebiet Ost I in einer sogenannten „Baubude“, heute Handwerkerstützpunkt und Begegnungsstätte der WGF. Die ständig ansteigende Anzahl von Mitgliedern und Neubauwohnungen erforderte ein neues Verwaltungsgebäude mit räumlich besseren Voraussetzungen für eine effizientere Bearbeitung der anstehenden Aufgaben. Das neue Verwaltungsgebäude neben der „Baubude“ wurde 1961 fertig gebaut und eingeweiht.
Herr Walther Löffler war bis zu dieser Zeit nebenberuflich Geschäftsführer der AWG Döbeln und erledigte nach seiner täglichen Arbeitszeit in der Elektrowärme Döbeln abends die vielseitigen Aufgaben in der AWG. Ab 1961 wurde er der erste hauptamtliche Geschäftsführer der AWG.


Walter Löffler

Walter Löffler war ein sehr emsiger und gewissenhafter Mensch, der sich stark um den Aufbau der Genossenschaft bemühte und stets ein offenes Ohr für seine Mitglieder hatte. Er kannte jeden und wusste genau, wo Not am Mann war. Nach der Übernahme der Funktion als hauptamtlicher Geschäftsführer 1961 zog auch seine Familie als Mieter der AWG in das Haus Blumenstraße 53 ein. Die beiden Söhne Lutz und Hendrik Löffler erinnern sich noch sehr gut an diese Zeit. Besondere Erinnerungen haben sie an ein Ereignis zu Weihnachten.
Durch den Ausbau des gesamtes Gebietes Ost I stellte man fest, dass die Schleusen nicht das entsprechende Fassungsvermögen der angeschlossenen Wohngebäude hatten. Zuvor hatten aber die Wohngebietsgestalter beschlossen, durch Aufbringen von Muttererde den Fläche um die Häuser ein ordentliches Aussehen zu geben. Die Verstopfung des Schleusensystems hatte nun zur Folge, dass die selbstverlegten Rohrleitungen 3 Meter tief gefunden und gereinigt werden musste. Da Wasser bekanntlich ins Tal läuft, hatten die tieferliegenden Häuser wie z. B. die Blumenstraße 61/63 keine Chance, dem angestauten Wasser zu entkommen. Dort hatte man gerade Stollen gebacken und im Keller zum Auskühlen gelagert. Die eindringenden Wassermassen aus den Schleusen spülten alles hinweg.
Zu den Aufgaben des Chefs gehörte nicht nur das Lösen von Havarien. Er engagierte sich auch sehr stark für den Zusammenhalt der Genossenschaftsmitglieder. Man unternahm viele gemeinsame Ausflüge und organisierte Hausfeste nach getaner Arbeit.

Walter Löffler beendete seine Tätigkeit am 31. Dezember 1978

In der Chronik von unserem ehemaligen Chronisten Gerhard Börner ist zu lesen:

„Deshalb sei an dieser Stelle der selbstlose Einsatz und die verantwortungsvolle Tätigkeit des Geschäftsführers der AWG Walter Löffler gewürdigt.“

Am 01.07.1962 wurden die letzten der insgesamt 618 Wohnungen im AWG-Wohngebiet Döbeln-Ost I übergeben. Bereits 1961 konnten die Mieter von Döbeln-Ost I in einem neu gebauten Selbstbedienungseinkaufszentrum im Wohngebiet Waren des täglichen Bedarfs, Textilien, Schreibwaren und Haushaltsgeräte einkaufen. Das Einkaufszentrum entstand mit aktiver Unterstützung der AWG.
Am 01.09.1963 wurden weitere 24 Wohnungen in Grunau vor allem an die Beschäftigten der dortigen Papierfabrik übergeben.


10-jähriges Jubiläum

Zum 10-jährigen Jubiläum der AWG Döbeln am 27.08.1964 konnte stolz Bilanz gezogen werden:

  • 618 Wohnungen in Döbeln-Ost I
  • 50 Wohnungen auf der Döbelner Bahnhofstraße
  • 24 Wohnungen in Grunau
  • 1 Selbstbedienungseinkaufszentrum
  • 1 Wäschemangelstation
  • Garagenboxen in Döbeln-Ost I
  • Kinderspielplätze in Döbeln-Ost I

Noch im Jubiläumsjahr 1964 begann die AWG auf der Döbelner Albert-Schweitzer-Straße weitere Wohnungen zu bauen, denn viele AWG-Mitglieder warteten noch auf eine Wohnung.